Wasserfledermaus(Myotis daubentonii)
Verbreitung der Wasserfledermaus in Deutschland
Flächendeckendes Vorkommen [1,2]
Wochenstuben aber eher in tieferen, wärmebegünstigten Lagen, in Baden-Württemberg Wochenstuben nur bis 350 m ü. NN bekannt, in Bayern allerdings auch eine bekannte Wochenstube auf 900 m ü. NN [3,4]
Männchenquartiere auch regelmäßig in höheren Lagen [5,6]
Auch Winterquartiere sind bis in die montane Stufe bekannt, teils müssen relativ weite Strecken dorthin zurückgelegt werden [7]
Nutzung von Wald durch die Wasserfledermaus
(+++ fast ausschließlich, ++ regelmäßig, + gelegentlich, – unbedeutend, ? unbekannt)
als Wochenstubengebiet (++)
Quartiere meist in Baumhöhlen oder Kästen, seltener auch in Bauwerken, z.B. Brücken [8,9]
Baumquartiere in Spechthöhlen oder ausgefaulten Astlöchern in altholzreichen Laubwaldbeständen wie z.B. in den Rheinauwäldern [3,10]
Quartiere gerne in Waldrandnähe oder in der Nähe von Lichtungen [8,10]
Häufige Quartierwechsel, etwa alle 2-3 Tage, seltener nach der Geburt der Jungen [11,12]
als Paarungsgebiet (+)
Paarungen vermutlich vor allem an Schwärmquartieren, die von zahlreichen Tieren aus Entfernungen bis ca. 50 km angeflogen werden [13,14]
Haremsfunde in Kästen weisen auch auf die Nutzung von Baumquartieren zur Paarung hin [3]
als Überwinterungsgebiet (+)
Überwinterung in Untertagequartieren wie Höhlen, Stollen und Felsenkellern [3,15]
Fund von drei Wasserfledermäusen in ausgefaulter Buche zeigt, dass gelegentlich auch Baumquartiere als Winterquartiere genutzt werden [16]
als Jagdgebiet (+)
Hauptjagdgebiete sind vegetationsfreie Stillwasserbereiche von Gewässern [10]
Wälder werden zumindest saisonal zur Jagd aufgesucht, beispielsweise in der Nähe von Schwärmquartieren [14,17]
Zu Jagdgebieten werden regelmäßig Entfernungen bis ca. 5 km zurückgelegt, aber auch Strecken bis 22 km sind belegt [3,17,18]
Flug meist in geringen Höhen über dem Wasser, auch auf Transferflügen Orientierung an Strukturen oder niedriger Flug über Freiflächen [10,19,20]
Gefährdungsprognose für die Wasserfledermaus beim Bau von WEA im Wald
(+++ sehr hoch, ++ hoch, + mäßig, – unwahrscheinlich)
Beeinträchtigungen durch Lebensstättenverlust (++)
Verlust von Wochenstubenquartieren vor allem in gewässernahen Laubwäldern in tiefen bis mittleren Höhenlagen
Verlust von Männchen-, Einzel- und Paarungsquartieren in Wäldern bis in die höheren Lagen der Mittelgebirge
Verlust saisonal bedeutsamer Jagdgebiete im Umfeld um Quartiere, vor allem in Laubwäldern
Beeinträchtigungen durch ein erhöhtes Kollisionsrisiko (-)
Generell aufgrund der starken Strukturgebundenheit im Flug geringes Risiko anzunehmen
Bisher sieben Schlagopfer bekannt, möglicherweise fliegen die Tiere bisweilen entlang des Masts der WEA nach oben [21]
Bei Höhenmessungen über dem Wald wird die Artengruppe Myotis in geringem Abstand von der Waldoberkante nur gelegentlich aufgezeichnet [22]
Kollisionen sind daher am ehesten an Anlagen mit geringem Abstand zwischen Rotor und Waldoberkante denkbar
Geeignete Erfassungsmethoden für die Wasserfledermaus
Voruntersuchungen
Eindeutiger Nachweis und Statusbestimmung durch Netzfänge, mindestens 4 Netzfänge in einem Projektgebiet, 2 Netzfänge pro geplanter WEA bis 10 WEA, ab dann 1 weiterer pro weitere WEA
Telemetrie zur Identifikation von Wochenstuben-Quartieren, 3 bis 5 Weibchen mit jeweils 4 bis 8 Sendernächten in mehreren Erfassungsblöcken verteilt über die Wochenstubenzeit zur Identifikation der Quartierzentren, Abgrenzung der Quartierzentren aufgrund der tatsächlichen Quartiernachweise
Kartierung potentieller Quartierbäume in den Rodungsbereichen unter Angabe des Standorts, Baumtyps, Quartierart, Eignung
Untersuchungen nach Errichtung der Anlagen
An Anlagen mit geringem Abstand (weniger als 50 m) zur Waldoberkante akustische Aktivitätsmessungen im Bereich der unteren Rotorspitze zur Überprüfung des standortspezifischen Kollisions-Risikos für die Artengruppe Myotis
Geeignete Maßnahmen für die Wasserfledermaus
Meidung von Laub- und Mischwäldern und naturnahen Nadelwäldern ab einem Bestandsalter von 100 Jahren
Meidung von nachgewiesenen Wochenstuben-Quartierzentren mit einem Abstand von mindestens 200 m, ggf. mehr, falls zusammenhängende, quartierreiche Bestände über diesen Radius hinausreichen
Meidung von bekannten Schwärm- und Winterquartieren in Wäldern mit einem Abstand von 200 m
Geeignete Wahl des Rodungszeitpunkts, am besten in Frostperioden im Winter, Kontrolle der zu fällenden potentiellen Quartier-Bäume auf Besatz
Ausgleich des Verlusts von Waldfläche mit Quartierpotential mit einem Ausgleichsfaktor bis zu 1:5 je nach Wertigkeit der Fläche; in den Ausgleichsflächen Förderung des natürlichen Quartierpotentials durch Nutzungsaufgabe oder naturnahe Bewirtschaftung in älteren Laub- und Mischwaldbeständen
Interimslösung zur schnellen Erhöhung des Quartierpotentials in den Ausgleichsflächen: Aufhängen von Fledermauskästen (Rundkästen und Flachkästen) (Anzahl je nach Bedarf an Ausgleichsfläche); Wirksamkeit ist vor allem in Gebieten mit bereits vorhandenen Kästen wahrscheinlich
Habitatvernetzung in zerschnittenen Waldbereichen, z.B. durch Heckenpflanzungen und Querungshilfen
Einhaltung eines Mindestabstands der unteren Rotorspitze von 50 m von der Waldoberkante der benachbarten Waldbestände
Ggf. Anpassung der Abschaltzeiten bei hoher akustischer Aktivität der Artengruppe Myotis im Bereich der unteren Rotorspitze
Literatur
[1] | Dietz, C., Helversen, O. v. & Nill, D. (2007): Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. – Stuttgart (Kosmos-Verlag): 399 S. |
[2] | Roer, H. & Schober, W. (2001): Myotis daubentonii (Leisler, 1819) - Wasserfledermaus. – In: Krapp, F. & Niethammer, J. (Hrsg.): Handbuch der Säugetiere Europas - Band 4 - Teil 1. – Kempten (Aula-Verlag): 257-280. |
[3] | Geiger, H. & Rudolph, B.-U. (2004): Wasserfledermaus - Myotis daubentonii (Kuhl, 1817). – In: Rudolph, B.-U. & Meschede, A. (Hrsg.): Fledermäuse in Bayern. – Stuttgart (Ulmer Verlag): 127-138. |
[4] | Nagel, A. & Häussler, U. (2003): Wasserfledermaus - Myotis daubentonii (Kuhl, 1817). – In: Braun, M. & Dieterlen, F. (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs Band 1. – Stuttgart (Verlag Eugen Ulmer): 440-462. |
[5] | Nardone, V., Di Salvo, I., Cistrone, L., Ancillotto, L., Migliozzi, A. & Russo, D. (2014). How to be a male at different elevations: Ecology of intra-sexual segregation in the Trawling bat Myotis daubentonii. XIIIth European Bat Research Symposium, Croatia, Croatian Biospeleological Society: 129. |
[6] | Angell, R. L., Butlin, R. K. & Altringham, J. (2013): Sexual Segregation and flexible mating patterns in temperate bats. – PLoS One 8: e54194. |
[7] | Dietz, C., Helversen, O. v. & Nill, D. (2007): Die Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. – Stuttgart (Kosmos-Verlag): 400 S. |
[8] | Boonman, M. (2000): Roost selection by noctules (Nyctalus noctula) and Daubenton's bats (Myotis daubentonii). – Journal of Zoology 251: 385-389. |
[9] | Holthausen, E. & Pleines, S. (2001): Planmäßiges Erfassen von Wasserfledermäusen (Myotis daubentonii) im Kreis Viersen (Nordrhein-Westfalen). – Nyctalus 7: 463-470. |
[10] | Kretschmer, M. (2001): Untersuchungen zur Biologie und Nahrungsökologie der Wasserfledermaus, Myotis daubentonii (Kuhl, 1817), in Nordbaden. – Nyctalus 8: 28-48. |
[11] | Lučan, R. K. & Radil, J. (2010): Variability of foraging and roosting activities in adult females of Daubenton’s bat (Myotis daubentonii) in different seasons. – Biologia 65: 1072-1080. |
[12] | Ngamprasertwong, T., Piertney, S. B., Mackie, I. & Racey, P. A. (2014): Roosting habits of Daubenton's bat (Myotis daubentonii) during reproduction differs between adjacent river valleys. – Acta Chiropterologica 16: 337-347. |
[13] | Grosche, L. (2005): Untersuchungen zu Ökologie der Wasserfledermaus Myotis daubentonii (Kuhl 1817) in Münster. – Münster (Westfälische Wilhelms Universität Münster, Institut für Landschaftsökologie – Diplomarbeit): 80 S. |
[14] | Parsons, K. N. & Jones, G. (2003): Dispersion and habitat use by Myotis daubentonii and Myotis nattereri during the swarming season: implications for conservation. – Animal Conservation 6: 283-290. |
[15] | Kallasch, C. & Lehnert, M. (1995): Zur Populationsökologie von Wasser- und Fransenfledermäusen (Myotis daubentonii und M. nattereri) in der Spandauer Zitadelle (Berlin). – Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 34: 69-91. |
[16] | Borkenhagen, P. (2011): Die Säugetiere Schleswig-Holsteins. – Husum (Husum Verlag): 664 S. |
[17] | Arnold, A. (1999): Zeit-Raumnutzungsverhalten und Nahrungsökologie rheinauenbewohnender Fledermausarten (Mammalia: Chiroptera). – Heidelberg (Ruprecht-Karls-Universität – Dissertation): 300 S. |
[18] | Dietz, M. & Simon, O. (2008): Fledermäuse im Nationalpark Kellerwald-Edersee. – Forschungsberichte des Nationalparks Kellerwald-Edersee 1: 88 S. |
[19] | Dietz, M. & Kalko, E. (2007): Reproduction affects flight activity in female and male Daubenton's bats, Myotis daubentonii. – Canadian Journal of Zoology 85: 653-664. |
[20] | Rieger, I. & Alder, H. (1990): Wasserfledermäuse, Myotis daubentoni, benutzen Flugstraßen. – Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 35: 37-68. |
[21] | Dürr, T. (2016): Fledermausverluste an Windenergieanlagen. Daten aus der zentralen Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg. – Stand vom 19. September 2016 (LUGV Brandenburg): 1 S. |
[22] | Hurst, J., Biedermann, M., Dietz, M., Krannich, E., Karst, I., Korner-Niervergelt, F., Schauer-Weisshahn, H., Schorcht, W. & Brinkmann, R. (2016): Fledermausaktivität in verschiedenen Höhen über dem Wald. – In: Hurst, J., Biedermann, M., Dietz, C., Dietz, M., Karst, I., Krannich, E., Petermann, R., Schorcht, W. & Brinkmann, R. (Hrsg.): Fledermäuse und Windkraft im Wald. – Bonn-Bad Godesberg (Bundesamt für Naturschutz): 327-352. |